Wegeunfall bei Startort: „Dritter Ort“
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Wegeunfall bei Startort: „Dritter Ort“

In der gesetzlichen Unfallversicherung fällt auch der Weg zur Arbeitsstätte (Tätigkeitsort) nach § 8 Absatz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Teil VII (SGB VII) unter den Versicherungsschutz. Der Gesetzgeber hat zwar den Zielort (Ort der Tätigkeit), nicht jedoch den Startort dieses Weges festgelegt.

In den hier zu besprechenden Fällen hatte das Bundesozialgericht (BSG) nun zu entscheiden, ob die gesetzliche Unfallversicherung auch dann eingreift, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nicht von der „normalen“ Wohnung des Versicherten, sondern von einem „dritten Ort“ aus aufgenommen wird. Greift der Versicherungsschutz auch ein, wenn der „dritte Ort“ viel weiter vom Tätigkeitsort (Arbeitsstätte) entfernt liegt als der Wohnort? Das BSG hat in seinen Urteilen vom 30. Januar 2020 (Aktenzeichen B 2 U 2/18 R und B 2 U 19/18 R sowie B 2 U 20/18 R) seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Problematik teilweise konkretisiert und wie folgt zusammengefasst:

  • „Weg“ ist die Strecke zwischen einem Start- und einem Zielpunkt. Bei allen Hinwegen setzt § 8 Absatz 2 Nr. 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest, lässt aber den Startpunkt offen, so dass an Stelle der Wohnung auch ein anderer Ort (sogenannter „dritter Ort“) Startort sein kann.
  • Ein Ort wird dann zu einem sogenannten „dritten Ort“, von dem aus ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte angetreten werden kann, wenn der Versicherte sich dort zwei Stunden oder länger aufgehalten hat.
  • Diese Zwei-Stunden-Regel ist weiterhin aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Reichweite des Unfallversicherungsschutzes der Wegunfallversicherung heranzuziehen. 
  • Entscheidend ist, ob der Weg von dem „dritten Ort“ zur Arbeitsstätte wesentlich von der subjektiven Handlungstendenz geprägt worden ist, den Ort der Tätigkeit aufzusuchen, und ob dies in den realen Gegebenheiten objektiv eine Stütze findet, das heißt objektivierbar ist.
  • Es kommt bei einem Unfall auf dem Weg vom „dritten Ort“ weder auf einen mathematischen oder wertenden Angemessenheitsvergleich der Wegstrecken, noch auf (etwaige betriebsdienliche) Motive für den Aufenthalt am „dritten Ort“ an.
  • Ebenso unerheblich sind der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der verschiedenen Wege und deren Beschaffenheit bzw. Zustand, das benutzte Verkehrsmittel oder das erhöhte, verminderte bzw. annähernd gleichwertige Unfallrisiko.
  • Schließlich ist auch unerheblich, ob sich Weglänge und Fahrzeit noch im Rahmen der üblicherweise von Pendlern zurückgelegten Wegstrecke halten.

In einem der vorgenannten Verfahren betrug die Entfernung vom dritten Ort zum Ort der Tätigkeit 44 Kilometer, während sich die Entfernung vom regulären Wohnort zum Ort der Tätigkeit auf zwei Kilometer belief. Trotz dieses Unterschieds der Entfernung ist Unfallversicherungsschutz angenommen worden.

Hinweis:

Der vorstehende Text wurde aus dem Magazin "FEUERWEHReinsatz:nrw 11/2020 " entnommen.

Stand: 05/2023
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