Psychische Beanspruchungsfolgen
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Psychische Beanspruchungsfolgen

Was ist Trauma?

Traumatische Ereignisse sind plötzlich auftretende Extremsituationen. Sie sind gekennzeichnet durch die Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder Gefahr für die eigene oder fremde körperliche Unversehrtheit.

Traumatische Ereignisse sind z. B. ein Überfall, eine Geiselnahme, eine massive Bedrohungssituation, Gewalterleben durch physische oder sexuelle Übergriffe, schwerwiegende Unfälle.

Eine Reihe von Berufsgruppen ist in besonderer Weise gefährdet, im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeiten mit potenziell traumatisierenden Situationen konfrontiert zu werden. Dazu zählen beispielsweise Polizei und Feuerwehr, Rettungsdienst und Intensivpflege, aber auch andere Berufsgruppen wie Lokführerinnen und Lokführer, die u. U. Suizide miterleben müssen, Beschäftigte im Straßenbetriebsdienst, die mit schweren Unfällen konfrontiert werden oder Bankangestellte, die Opfer von Überfallen werden.

Die Reaktionen auf solche Ereignisse sind vielfältig. Nach dem Erleben einer sehr belastenden Situation kann zunächst eine akute Belastungsreaktion auftreten. Als typische Symptomatik wird ein vielschichtiges und gewöhnlich wechselndes Bild genannt, in dem nach einem anfänglichen Gefühl des Betäubtseins depressive, ängstliche, ärgerliche und verzweifelte Empfindungen erlebt werden. Im Verhalten treten Schwankungen zwischen Überaktivität und Rückzug auf. Die Symptome klingen in der Regel nach 24 bis 48 Stunden wieder ab. Eine solche Reaktion ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis.

Jeder Mensch benötigt Zeit, ein erlebtes außergewöhnliches Ereignis zu verarbeiten. Sollten die Symptome sich jedoch verschlimmern oder nach einiger Zeit noch keine Besserung eingetreten sein, können sie sich in einer psychischen Erkrankung in Form von Traumafolgestörungen manifestieren. Damit sind Anpassungsstörungen, Depressionen und Angststörungen sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch bis hin zur Abhängigkeit gemeint. Nicht zwangsläufig, aber in einigen Fällen kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln.

Die Diagnosekriterien für eine PTBS werden im international anerkannten Diagnosekatalog ICD-11 mit dem Diagnoseschlüssel 6B40 beschrieben: Zu den Hauptkriterien für die Diagnose gehören unter anderem das ständige, unkontrollierbare Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von Albträumen oder Flashbacks, die durch kleinste Reize, die der traumatischen Situation ähneln, hervorgerufen werden. Daher versuchen die Betroffenen Erinnerungen an die traumatische Situation zu vermeiden. Weitere Symptome wie emotionale Taubheit und vegetative Übererregung können sich in Schreckhaftigkeit, Konzentrationsproblemen, Reizbarkeit und extremen Stimmungsschwankungen äußern. PTBS ist eine schwerwiegende und behandlungsbedürftige Erkrankung, bei der psychotherapeutische Interventionen möglichst frühzeitig in die Wege geleitet werden sollten.

Fallbeispiel

Sven 0. (43 Jahre) ist im Rettungsdienst tätig. Immer wieder extrem belastende Situationen, Einsatze auf Autobahnen, viele schwere Unfällen hat er erlebt; vor Schmerzen verzweifelt schreiende Menschen, denen er geholfen hatte, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg.

Er hat die Bilder und Eindrücke mitgenommen nach Hause – und dann irgendwie doch innerlich bewältigt, verarbeitet. „Der Job ist hart, aber wir sind die Guten“ hatte er oft zu jüngeren Kollegen gesagt, die ihre ersten Schwerverletzten betreut hatten ...

Bis dann dieser 17. November kam – ein schwerer Unfall auf der A 3, mehrere Schwerverletzte, Sterbende ...diese Augen würde er nie mehr vergessen ... Kinderaugen, deren Blicke sich tief in seine Seele brennen ... Kinderhände ... Schreie ... auch Wochen später noch läuft die gespenstische Szene immer wieder wie ein Film vor seinem inneren Auge ab ... der Vater, der sein totes Kind im Arm hält, trägt, und wie in Zeitlupe auf der Unfallstelle umherläuft ... eine gedehnte Zwischenwelt aus Blech, Blut und Rauch ... auch jetzt noch, viele Monate später, sind diese Bilder für Sven O. so deutlich und nah wie an diesem 17. November ...

Jede Person, die ein traumatisches Ereignis erlebt, sollte eine Unfallmeldung, ggf. Unfallanzeige beim zuständigen Unfallversicherungsträger stellen, auch wenn keine offensichtliche körperliche Verletzung vorliegt. Der Unfallversicherungsträger steuert dann das weitere Vorgehen z. B. im Hinblick auf eine notfallpsychologische Betreuung. Notfallpsychologische Betreuung lohnt sich, um das Ausmaß negativer Folgen möglichst gering zu halten. Nach dem Psychotherapeutenverfahren erhalten Betroffene von ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse schnell und unkompliziert Hilfe in Form von probatorischen Sitzungen bei ausgewählten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Besteht die Notwendigkeit und wird ein entsprechender Antrag vom Unfallversicherungsträger bewilligt, ist eine Weiterbehandlung möglich.


Hinweis

Der vorstehende Text wurde der DGUV Information 206-013 "Stress, Mobbing, Co. Psychische Belastung im Arbeitsleben, Nummer 4.6 Trauma" entnommen.

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