Allgemeines Arbeitsstättenrecht im Verhältnis zum Bauordnungsrecht
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Allgemeines Arbeitsstättenrecht im Verhältnis zum Bauordnungsrecht

Verhältnis zum Bauordnungsrecht 

§ 3a Abs. 4 ArbStättV hebt insbesondere das Verhältnis der ArbStättV zu den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder hervor. Zwischen beiden Regelungsmaterien bestehen zahlreiche Verschränkungen, da auch im Bauordnungsrecht z. B. Regelungen über Raumabmessungen oder Fluchtwege getroffen werden. Es wird daher in der Literatur eine ganzheitliche Betrachtung empfohlen, die die arbeitsstätten- und baurechtlichen Anforderungen gleichermaßen im Blick behält. Die betreffenden Bestimmungen sind inhaltlich nicht immer deckungsgleich, da weder das Bauordnungsrecht der Länder vollständig harmonisiert ist, noch eine Abstimmung zwischen arbeitsschutzrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Schutzzielen bis heute erreicht worden ist. 

In der Praxis sind solche Kollisionslagen so zu lösen, dass jeweils die weitergehenden Anforderungen zu erfüllen sind. Nur so lässt sich erreichen, dass die Schutzziele beider Rechtsgebiete (Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit; Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren baulicher Anlagen) realisiert werden. Durch Bauordnungsrecht kann daher das arbeitsschutzrechtliche Schutzniveau nicht abgesenkt werden. Ebenso wenig folgt das Arbeitsschutz- und Arbeitsstättenrecht den sehr strikten Vorgaben des bauordnungsrechtlichen Bestandsschutzes (Pillar sis 2017, 168 ff. (170); in diesem Sinne auch OVG Münster 22.6.2016 – 9 K 1985/15, wonach sich ein Adressat arbeitsschutzrechtlicher Pflichten nicht auf baurechtlichen Bestandsschutz berufen kann).

Der Vorrang des weiterreichenden Schutzes ist durch die Neufassung des § 3a Abs. 4 ArbStättV im Rahmen der ArbStättV-Novelle 2016 noch einmal klargestellt worden (Bundesrat Drucksache 506/16, 20). In „Härtefällen“ kann eine Ausnahme gem. § 3a Abs. 3 ArbStättV in Betracht kommen (HK-ArbSchR Faber/Feldhoff, 3 ArbStättV, Rn. 26; 2018).

Zur aktuellen Rechtsprechung zu der hohen Bedeutung der ArbStättV wird auszugsweise auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster (VG Münster, 9 K 1985/15 vom 22.06.2016) und die nachfolgende, bestätigende, rechtskräftige Entscheidung des OVG NRW (Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 1648/16 vom 17.01.2018) zur Aufschlagrichtung von Notausgangstüren aufmerksam gemacht:

(…) „Die Systematik der (normativen) ArbStättV ist (…) dergestalt angelegt, dass sich u. a. im Anhang der ArbStättV detaillierte, überwiegend zwingende (Muss)Vorgaben finden, die der Arbeitgeber grds. umsetzen muss (insoweit hat bereits der Verordnungsgeber auf abstrakt-genereller Ebene die Abwägung zwischen den verfassungsrechtlichen Positionen aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vorgenommen (…), (…).

Auf baurechtlichen Bestandsschutz kann sich die Klägerin im Arbeitsschutzrecht von vornherein nicht berufen (…).

Anmerkung:
Artikel 14 Absatz 1 unseres Grundgesetzes regelt folgendes:
Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

Artikel 2 Absatz 2 unseres Grundgesetzes regelt:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Kommentare:
Gesamtes Arbeitsschutzrecht, HK-ArbSchR, Kohte/Faber/Feldhoff, 3 ArbStättV; 2018).

Sonstiges:
Rechtsprechung: Verwaltungsgericht Münster (Aktenzeichen: 9 K 1985/15; 22.06.2016)
Oberverwaltungsgericht NRW (Aktenzeichen: 8 A 1648/16; 17.01.2018)


Stand: 01/2022
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